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Wo beginnt Mobbing gegen Lehrkräfte?

9 min Lesedauer | 12.02.2025 | Nina

Zusammenfassung

Beim Stichwort 'Mobbing in der Schule' denken die meisten zuerst an gewalttätige Handlungen innerhalb der Schülerschaft. Doch es gibt auch Fälle, bei denen Lehrpersonen von Schülerinnen oder Schülern gemobbt werden. Wir zeigen, wo die Grenzen zwischen Distanzlosigkeit und Grenzüberschreitung verlaufen und wo Mobbing beginnt.

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Bei dem Gedanken an Mobbing in der Schule haben viele Menschen einschlägige Szenarien von Auseinandersetzungen auf dem Pausenhof, verbale Angriffe gegen Schwächere oder angedrohte Gewalt vor Augen. Die meisten stellen sich unter dem Stichwort 'Mobbing' gewalttätige Handlungen innerhalb der Schülerschaft vor. Andere denken an die ebenfalls realistische Konstellation 'Lehrkraft gegen Schüler'. Den wenigsten fallen vermutlich Situationen ein, bei denen Lehrpersonen von Mitgliedern aus der Schülerschaft gemobbt werden.

Welche Verhaltensweisen sind distanzlos oder grenzüberschreitend? Ab wann ist von schwerwiegenden Mobbinghandlungen die Rede? Wie drücken sich Distanzlosigkeit, Grenzüberschreitungen und Mobbing gegen Lehrkräfte im Schulalltag aus?

Zahlen und Fakten

Eine Studie hat ergeben, dass an 59 Prozent aller Real- und Hauptschulen Mobbing gegen Lehrpersonen stattfindet. An Gymnasien sind es 33 Prozent. Selbst an Grundschulen ist das Thema 'Mobbing gegen Lehrkräfte' keine Ausnahme: An 46 Prozent der deutschen Grundschulen werden Fälle von gewalttätigen Übergriffen gegen Lehrpersonen gemeldet. (Quelle: Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer ist kein Einzelfall (friedrich-verlag.de)). Diese Zahlen zeigen, dass Gewalt gegen Lehrkräfte Realität an unseren Schulen ist. Psychische und physische Übergriffe gegen Lehrpersonen kommen in allen Klassenstufen vor.

Was ist distanzloses Verhalten?

Distanzlosigkeit findet auf physischer und emotionaler Ebene statt. Das Wort 'distanzlos' lässt sich durch die gleichbedeutenden Begriffe 'unangemessen', 'übergriffig' oder 'indiskret' ersetzen.

Beispiele für distanzlose Verhaltensweisen:

  • Verstöße gegen die Schul- oder Klassenregeln
  • Nichtbefolgen von Anweisungen
  • aufdringliche Versuche zur Kontaktaufnahme
  • wiederholte Nachfragen über private Details
  • absichtliche, unerwünschte Berührungen

Was ist grenzüberschreitendes Verhalten?

Bei distanzlosen Verhaltensweisen werden die allgemeingültigen Regeln eines angemessenen Umgangs nicht gewahrt. Grenzüberschreitungen gehen über die persönlichen Grenzen des Gegenübers hinaus.

Beispiele für Grenzüberschreitungen:

  • körperliche Übergriffigkeit (z. B. unerwünschte Umarmungen)
  • zudringliche Fragen über das Privatleben
  • wiederholte grenzverletzende Verhaltensweisen, obwohl die Grenzen des Gegenübers bekannt sind (absichtliche Grenzüberschreitung)

Die Grenze zwischen distanzlosem und grenzüberschreitendem Verhalten ist nicht in jedem Fall eindeutig zu erkennen. Oft gehen die Verhaltensweisen fließend ineinander über. Darüber hinaus ist das subjektive Empfinden der Lehrperson ausschlaggebend: Eine ungewollte Berührung ist für manche Lehrkräfte distanzlos, aber noch nicht grenzüberschreitend. Andere Lehrpersonen empfinden bereits Fragen zu ihrem Privatleben als Überschreitung ihrer Grenzen. Somit gibt es auf die Frage nach distanzlosem oder grenzüberschreitendem Verhalten keine richtigen oder falschen Antworten.

Wo beginnt Mobbing?

Mobbing ist von Distanzlosigkeit und Grenzüberschreitungen als eigenständiges Spektrum abzugrenzen. Jede Mobbinghandlung ist ebenso distanzlos wie grenzüberschreitend. Der umgekehrte Fall trifft jedoch nicht zu: Bei grenzverletzenden oder distanzlosen Verhaltensweisen sind die Kriterien für Mobbing noch nicht vollumfänglich erfüllt. Bei Mobbing handelt es sich um wiederkehrende Verhaltensmuster, die sich mindestens zweimal in der Woche über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr erstrecken (Quelle: Mobbing - Definitionen - HENSCHE Arbeitsrecht ).

Mobbing ist ein gezieltes Vorgehen. Distanzlosigkeit oder Grenzüberschreitungen können, aber müssen kein Ziel verfolgen. Mit Mobbinghandlungen soll das Ansehen der betroffenen Personen geschädigt werden. Dieser Zweck wird mit distanzlosem und zumeist auch mit grenzüberschreitendem Verhalten nicht verfolgt.

Beispiele für Mobbinghandlungen:

  • absichtliche Verstöße gegen die Anweisungen der Lehrkraft
  • Beschädigen, Entwenden oder Zerstören von fremdem Eigentum
  • Verleumdung und üble Nachrede (Rufmord)
  • körperliche Gewalt
  • Bedrohung, Erpressung und Nötigung
  • Mobbing im Netz

Das Ignorieren oder bewusste Missachten von Anweisungen ist eine typische Mobbinghandlung gegen Lehrerinnen und Lehrer. Daneben gelten angedrohte oder vollzogene Gewalt sowie Beschädigung von (Arbeits-)Material als Mobbing. Handlungen wie üble Nachrede oder Erpressung sind Formen von psychischer Gewalt.

In der modernen Gesellschaft stellt Mobbing im Netz eine ernstzunehmende Problematik dar. Sowohl Kinder und Jugendliche als auch Lehrpersonen werden auf sozialen Netzwerken, Internetforen oder über Messengerdienste wie WhatsApp gemobbt.

Die Folgen für betroffene Lehrerinnen und Lehrer können schwerwiegend sein. Neben körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Kreislaufproblemen sind depressive Erkrankungen und Symptome von Burnout keine Ausnahme. Im schlimmsten Fall führen Mobbinghandlungen gegen Lehrkräfte zur Erwerbsunfähigkeit.

Distanzlosigkeit im Schulalltag – Fallbeispiele

Wir zeigen verschiedene Fallbeispiele, in denen ein grenzüberschreitendes Verhalten vonseiten der Schülerschaft stattfindet. Jeder beispielhafte Fall wird aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert. 

Beispiel 1:
In der letzten Stunde vor den Herbstferien sitzt der Klassenlehrer einer dritten Klasse mit der Schülerschaft im Stuhlkreis zusammen. Das ungezwungene Beisammensein wird für den privaten Austausch zwischen der Klassen ihrer Lehrkraft genutzt. Alle Beteiligten haben bei dem Gespräch im Stuhlkreis Spaß. Auch der Klassenlehrer nutzt die Situation, um seine Schülerinnen und Schüler näher kennenzulernen. Sie erzählen ihm von ihren Hobbys und familiären Umständen. Schließlich wird der Lehrer von einem Schüler nach seinem Privatleben gefragt. Zunächst geht es nur um Freizeitaktivitäten. Irgendwann erkundigt sich der Schüler, ob der Klassenlehrer verheiratet ist. Der Lehrer erzählt ihm, dass er nicht verheiratet ist und auch in keiner Partnerschaft lebt. Mit dieser Antwort gibt sich der betreffende Schüler nicht zufrieden. Er fragt vehement nach den Gründen und gibt dem Klassenlehrer keine Gelegenheit mehr, sich mit den anderen Klassenmitgliedern zu unterhalten.

Das private Gespräch außerhalb des Fachunterrichts ist vor allem für Grundschulkinder wichtig. Auf diese Weise lernen sie ihren Klassenvorstand oder die Fachlehrkraft aus einer anderen Perspektive kennen. Der Schüler im Fallbeispiel nutzt die Gelegenheit, um sich ein Bild von seinem Lehrer als Privatperson zu machen. Die verneinende Antwort des Klassenlehrers scheint ihn zu überraschen. Deshalb stellt er weitere Fragen, um den Grund zu erfahren.

In diesem Fallbeispiel liegt keine bewusste oder gar böswillige Grenzüberschreitung vor. Das Verhalten des Grundschülers lässt sich mit der Charakterbeschreibung 'kindliche Neugier' treffend erklären. Der betreffende Schüler verhält sich mit seinen Fragen dennoch übergriffig: Er respektiert die Grenzen des Klassenlehrers als Privatperson nicht. Darüber hinaus hat der Lehrer keine Gelegenheit mehr, die Fragen der übrigen Klassenmitglieder zu beantworten und auf ihre Anliegen einzugehen. Das Gespräch konzentriert sich ausschließlich auf den neugierigen Schüler.

Beispiel 2:
Eine Referendarin ist erst seit kurzer Zeit im Schuldienst. Sie hat noch keine eigene Klasse, sondern gibt Fachunterricht im neunten Jahrgang einer Realschule. Aufgrund ihres jungen Alters und dem Mangel an praktischer Berufserfahrung fühlt sich die neue Lehrkraft teilweise unsicher. Unvorhergesehene Situationen im Unterricht bringen sie leicht aus der Ruhe. Ihre Unsicherheit blieb zwei Schülern aus einer neunten Klasse nicht verborgen. Die betreffenden Schüler sind wegen ihres provozierenden Verhaltens bereits bei ihren Fachlehrkräften bekannt. Sie nutzen den Fachunterricht, um die Geduld und Nerven der Referendarin auszureizen. Neben dem Werfen von Papierkugeln melden sich die beiden Schüler ohne Aufforderung zu Wort, was den Unterrichtsablauf erheblich stört. Die Referendarin ist nicht mehr in der Lage, etwas Wirksames gegen die übergriffigen Handlungen zu unternehmen. Sie verliert die Kontrolle über die Situation.

Im Gegensatz zum ersten Fallbeispiel liegt hier eine absichtliche Grenzüberschreitung vor. Die betreffenden Schüler gelten bei ihren Lehrerinnen und Lehrern als verhaltensauffällig. Sie fühlen sich durch das unsichere Verhalten der neuen Referendarin zum Provozieren animiert. Dabei werden die Grenzen der Belastbarkeit ihrer Lehrkraft gezielt auf die Probe gestellt. Die Hilflosigkeit der Lehrerin ist das Resultat der Grenzüberschreitung. Somit haben die beiden Schüler ihr 'Ziel' erreicht.

Der Referendarin mangelt es an praktischer Erfahrung. Sie lernt die Berufspraxis an der Schule gerade erst kennen. Deshalb sind für sie grenzüberschreitende Verhaltensweisen von Schülerseite ungewohnte Situationen, auf die sie (noch) nicht angemessen reagieren kann.

Beispiel 3:
Im Englischunterricht einer fünften Klasse erklärt die Lehrkraft, dass in Großbritannien die Anrede mit Vornamen statt mit Nachnamen auch unter Erwachsenen vorkommt. Die Klasse ist über diese Erkenntnis zunächst erstaunt. Die Lehrperson präsentiert der Schülerschaft ein Beispiel. Sie wählt die fiktiven Personen David und John. Beide sind bereits erwachsen und kennen sich flüchtig. Trotzdem begrüßen sie sich mit Vornamen. Die Schülerinnen und Schüler finden diese ungewohnte Umgangsform ebenso interessant wie amüsant.

In der darauffolgenden Englischstunde beginnt die Lehrkraft mit einem neuen Kapitel im Lehrbuch. Einige Mitglieder der Klassengemeinschaft erinnern sich an das Thema aus der vorigen Stunde und reden die Lehrperson mit ihrem Vornamen an. Trotz wiederholter Ermahnungen lassen sie nicht davon ab. Dieses Verhaltensmuster bleibt auch in den nächsten Unterrichtsstunden wie eine Konstante bestehen. Die Fachlehrkraft merkt, dass sie unter solchen Umständen nicht als Autoritätsperson anerkannt wird.

Die überraschende Erkenntnis über die britischen Umgangsformen wird von der Schülerschaft als Anlass für Distanzlosigkeit gegenüber ihrer Lehrkraft genommen. Nicht alle Schülerinnen und Schüler, sondern nur einige Mitglieder der Klasse sind daran beteiligt. Anfangs wollten sie mit der Nennung des Vornamens die Grenzen ihrer Fachlehrkraft testen. Mit der Ermahnung an die Betreffenden zeigt die Lehrkraft ihre Grenzen auf. Dies führt aber nicht zu einer Beendigung der Situation: Die Folge ist eine Eskalation beziehungsweise Verhärtung der Sachlage.

Beispiel 4:
Ein Gymnasiallehrer ist seit vielen Jahren in seinem Beruf tätig. Er unterrichtet Klassen vom siebten bis zum zehnten Jahrgang. Der Lehrer ist bei seiner Schülerschaft grundsätzlich beliebt. Bei der Vergabe der Zeugnisnoten beurteilte er die Leistungen einer Schülerin als mangelhaft. Die Schülerin kann die Benotung nicht nachvollziehen und ist außer sich vor Wut. Auf sozialen Netzwerken erstellt sie ein gefälschtes Profil von ihrem Lehrer. Das falsche Profil wird von anderen Klassenmitgliedern entdeckt, die es an befreundete Schülerinnen und Schüler aus anderen Jahrgängen schicken. Der Lehrer ahnt nichts von den Vorgängen. Durch Zufall findet er einen Screenshot des Profils mit diffamierendem Inhalt an einer Pinnwand in der Schule.

Diese gezielte Handlung geht weit über distanzloses oder grenzverletzendes Verhalten hinaus. In der beispielhaften Situation wird eine Lehrkraft im Netz gemobbt. Das Erstellen des gefälschten Profils ist ein Straftatbestand. Die Frustration über die schlechte Benotung ist der Anlass für das Cybermobbing. Mit dem falschen Profil soll das Ansehen des Lehrers absichtlich geschädigt werden.

Schlusswort

Distanzlosigkeit, übergriffiges Verhalten oder Mobbinghandlungen geschehen nicht nur innerhalb der Schülerschaft. Die Konstellation zwischen Schülern als Tätern und Lehrkräften als Betroffenen kommt seltener vor, ist aber dennoch Realität an Schulen.

Distanzlosigkeit, Übergriffigkeit und Mobbing sind eigenständige Themenbereiche. Mobbinghandlungen sind grundsätzlich übergriffig und auch distanzlos. Nicht jede distanzlose Verhaltensweise ist jedoch mit Mobbing gleichzusetzen. Diese Differenzierung ist unbedingt notwendig, um angemessen gegen die unerwünschten Handlungen vorzugehen.

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