
'Nun konzentrieren wir uns aber wieder auf den Unterricht' – solch eine Aufforderung wird von Lehrerinnen und Lehrern oft an die Klasse gerichtet.
Der Appell zur geistigen Rückbesinnung auf den Unterricht ist im Alltag an der Schule keine Seltenheit. Nur wenige Lehrerinnen und Lehrer stellen sich jedoch die Frage, was es mit der Konzentration beziehungsweise der Konzentrationsfähigkeit von der Wortbedeutung her auf sich hat. Die wenigsten Lehrkräfte beziehen das Konzentrationsvermögen auf die eigene Funktion als Koordinatoren des Unterrichtsverlaufs. Ihre Mahnung zu mehr Konzentration richtet sich in erster Linie an die Schülerschaft – und nicht an sich selbst.
In diesem Beitrag wird die Bedeutung der Konzentrationsfähigkeit im Lehrberuf eingegangen. Neben der Begriffsdefinition steht die Relevanz eines hohen Konzentrationsvermögens im Job von Lehrkräften im Vordergrund. Der Einfluss von intrinsischen und extrinsischen Faktoren auf das Konzentrationsvermögen bildet einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt.
Was bedeutet der Begriff 'Konzentration'?
Konzentration ist eine mentale Fähigkeit. Sie beschreibt die bewusste und zielgerichtete Durchführung von Handlungsweisen. Anders als bei willkürlichen Affekthandlungen gehen die betreffenden Personen kontrolliert vor. Sie handeln bedacht statt impulsiv. Ihre Handlungen verfolgen eine Absicht oder ein Ziel, das es zu erreichen gilt.
Die Ausprägung und Wirksamkeit der Konzentration steht in einem direkten Verhältnis zur Konzentrationsfähigkeit beziehungsweise zum Konzentrationsvermögen. Mit der Konzentrationsfähigkeit wird eine bewusste Kontrolle über die eigenen Handlungen übernommen. Das Konzentrationsvermögen beschreibt die Fähigkeit, durchzuhalten und sein Ziel durch die Fokussierung der geistigen Energien konsequent zu verfolgen.
Konzentration geht mit Aufmerksamkeit einher. Allerdings sind die beiden Begriffe nicht komplett synonym: Die Aufmerksamkeit bildet die Grundlage für das individuelle Konzentrationsvermögen. Der Grad der Aufmerksamkeit wird durch die Konzentrationsfähigkeit bestimmt. Folglich ist Konzentration eine Sonderform der Aufmerksamkeit. Darüber hinaus bezieht sich die Konzentration immer auf die Gegenwart: Wer sich konzentriert, nimmt seine geistigen Kräfte zusammen und richtet seine ungeteilte Aufmerksamkeit auf die gegenwärtigen Pflichten.
Die eigene Konzentrationsfähigkeit entwickelt sich nicht von selbst, sondern muss ständig geübt werden. Ein hohes Konzentrationsvermögen setzt Selbstdisziplin voraus. Äußere (extrinsische) und innere (intrinsische) Faktoren werden weitgehend ausgeblendet. Durch die Ausblendung wird die verfügbare Energie wie ein Lichtstrahl gebündelt und auf gegenwärtige Anforderungen ausgerichtet. Diese bewusste Hinwendung muss über einen längeren Zeitraum hinweg anhalten, damit die Ziele erreicht werden können. Somit kann die Fähigkeit zur Konzentration als eine Form des Durchhaltevermögens betrachtet werden.
Welche Aspekte gehören zur Konzentration?
- Selektion
- Fokussierung
- Bandbreite
- Ausrichtung
Bei der Selektion handelt es sich um die Differenzierung zwischen relevanten und irrelevanten Faktoren. 'Was ist in diesem Moment wichtig und was ist unwichtig?' ist der Leitsatz beim Selektieren. Das Konzentrationsvermögen befähigt zur Unterscheidung zwischen wichtigen und unwichtigen Begleitumständen in einer Situation, in der es auf Konzentration ankommt.
Die Fokussierung beschreibt die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf das gegenwärtige Geschehen. Hier kommt die Aufmerksamkeit als Grundlage für die Konzentrationsfähigkeit. Als bildliche Darstellung eignen sich die gebündelten Lichtstrahlen. Die mentalen Energien werden ebenfalls zu einem 'Bündel' zusammengenommen, um sich konzentriert den anfallenden Aufgaben und Pflichten zuzuwenden.
Bei der zielgerichteten Durchführung von Handlungen spielt die Bandbreite eine Rolle. Im Alltag an Schulen müssen sich Lehrkräfte auf mehrere Verpflichtungen und Anforderungen zeitgleich konzentrieren. Bei der Selektion wird zwischen wichtigen und weniger bedeutenden Aufgaben unterschieden. Die Bandbreite bezieht sich auf die Beurteilung des Schwierigkeitsgrades unterschiedlicher Aufgaben: 'Welche erfordern ein hohes Maß an Konzentration und welche lassen sich auch ohne das gesamte Konzentrationsvermögen leicht bewältigen?' - diese Frage stellen sich Lehrpersonen bei parallel verlaufenden Aufgaben oder Arbeitsaufträgen.
Der letzte Aspekt ist die Ausrichtung. Wer sich konzentriert, verfolgt ein Ziel. Seine Konzentration ist auf das Erreichen dieses Ziels ausgerichtet. Im schulischen Kontext sind es beispielsweise der Erwerb von neuen Fachkenntnissen oder die Vorbereitung der angehenden Abiturienten auf ihre Abschlussprüfungen. Das Ziel ist der Anreiz für die Bündelung der geistigen Kräfte.
Was begünstigt oder erschwert die Konzentration?
Das Konzentrationsvermögen wird von intrinsischen und extrinsischen Faktoren beeinflusst. Intrinsische Faktoren haben ihren Ursprung 'im Inneren', also im Individuum. Zu den extrinsischen Faktoren zählen die äußeren Rahmenbedingungen, unter denen gearbeitet wird.
Intrinsische Faktoren
- Physische und psychische Konstitution
- Motivation
- Fachwissen und Expertise
- Strategien zur Stärkung des Konzentrationsvermögens
- Individuelle Lern- und Aufnahmefähigkeit von neuem Wissen
- Aufmerksamkeit
Extrinsische Faktoren
- Rahmenbedingungen wie Ort und Zeit
- Verfügbarkeit von Arbeitsmaterial
- Räumliche Bedingungen wie die Größe des Raums, Raumklima etc.
- soziales Klima
Die Konzentrationsfähigkeit ist Schwankungen unterworfen. Ähnlich wie die Motivation ist auch die Konzentration reine Tagesform. Intrinsische und extrinsische Faktoren sind für das Konzentrationsvermögen Fluch und Segen zugleich. Bei einer günstigen Ausgangslage tragen sie zu einer verbesserten Konzentrationsfähigkeit bei: Wer sein Tagwerk ausgeruht und motiviert beginnt, kann sich leichter auf seine Verpflichtungen konzentrieren. Auch eine stabile körperliche und seelische Verfassung ist für die Konzentrationsfähigkeit von entscheidendem Vorteil. Konzentrationsübungen tragen ebenfalls zu einer langfristigen Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit bei.
Eine positive Arbeitsatmosphäre ist ein extrinsischer Faktor, welcher die Konzentrationsfähigkeit fördert. Ein lichtdurchfluteter Klassenraum schafft ein Umfeld, in dem sich die Beteiligten leichter auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Daneben hat das soziale Klima im Klassenzimmer oder im Lehrerkollegium Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit von Lehrkräften. Offene Kommunikation in Verbindung mit einem respektvollen, wertschätzenden Umgang steigt sowohl die Motivation als auch die Konzentration.
Stress ist ein negativer Faktor für die Konzentrationsfähigkeit. Er wird sowohl durch intrinsische als auch extrinsische Faktoren ausgelöst. Private Sorgen oder gesundheitliche Probleme sind intrinsische Faktoren. Sie verringern die Konzentration, die Gedanken schweifen ab und der Fokus der Aufmerksamkeit wird abgelenkt. Solche Umstände setzen das Konzentrationsvermögen spürbar herab. Zeitdruck oder widrige Arbeitsbedingungen gehören zu den extrinsischen Faktoren, die sich negativ auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken.
Warum brauchen Lehrkräfte eine gute Konzentrationsfähigkeit?
Auch der Lehrberuf gründet auf den vier Säulen der Konzentration – Selektion, Fokussierung, Bandbreite und Ausrichtung. Sich zu konzentrieren bedeutet, sich auf den gegenwärtigen Moment mitsamt seinen Anforderungen zu besinnen. Lehrerinnen und Lehrer mit einem guten Konzentrationsvermögen richten ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Gegenwart. Die Selektion beginnt bereits bei der Planung des Unterrichts. Lehrkräfte müssen ihren Fachunterricht in einem festgelegten Zeitraum durchführen. Eine Differenzierung zwischen wichtigen und redundanten Inhalten entzerrt die Unterrichtsstunden. Während der Unterrichtsstunde richtet die Fachlehrkraft ihre gesamte Aufmerksamkeit mithilfe ihres Konzentrationsvermögens auf die Wissensvermittlung aus. Bei der Erteilung des Unterrichts lässt sie sich von negativen intrinsischen und extrinsischen Faktoren so wenig wie möglich beeinflussen. Stattdessen schöpft sie aus den positiven Faktoren Kraft. Sie dienen als Ressource für eine zielführende Konzentration.
Im Arbeitsalltag einer Lehrperson fallen verschiedene Verpflichtungen an, die eine volle Konzentration erfordern. Die Planung und Durchführung des Unterrichts ist ein ideales Beispiel. Weitere Einträge im Terminkalender von Lehrerinnen und Lehrern sind Konferenzen im Kollegium oder Elternabende. In all diesen Bereichen wird eine geistige Präsenz der Lehrkraft gefordert. Die Position als Lehrerin oder Lehrer während des Unterrichts ist in zweifacher Hinsicht fordernd: Vor der Klasse fungieren Lehrpersonen als Wissensvermittler. Bei Unterrichtsgesprächen kommt ihnen die Rolle als Moderator zu; sie verfolgen die Argumentationen der Schülerschaft mit und lenken den Gesprächsverlauf in die fachlich richtige Richtung. In ihrer Funktion steuern Lehrerinnen und Lehrer die Interaktion mit der Schülerschaft. Eine Lehrkraft mit Konzentrationsproblemen wird von ihrer Klasse nicht als glaubhaft empfunden. Mahnungen zu mehr Konzentration werden von den Anwesenden nicht hinreichend befolgt, da die Lehrperson in dieser Hinsicht kein Vorbild ist.
Warum ist die Notwendigkeit eines hohen Konzentrationsvermögens in der Position als Lehrkraft so herausfordernd? Die wenigsten Unterrichtsstunden verlaufen von der ersten bis zur letzten Minute ohne jegliche Störung. Eine laute Geräuschkulisse ist das absolute Paradebeispiel für widrige Umstände, denen sowohl die Klassenmitglieder als auch die Lehrkraft ausgesetzt sind. Hinzu kommen die intrinsischen Faktoren. Die tagesabhängige körperliche und seelische Verfassung hat einen hohen Einfluss auf die Konzentration. Darüber hinaus bestimmt die Motivation die Fähigkeit, sich dem Unterrichtsverlauf aufmerksam zuzuwenden. Auch Lehrerinnen und Lehrer haben 'mal einen schlechten Tag'. Anders als die Mitglieder aus dem Klassenverband haben Lehrkräfte einen Lehrauftrag, den sie auch unter widrigen Bedingungen erfüllen müssen. Dieser Auftrag kommt den Mitgliedern des Klassenverbandes nicht zu. Folglich müssen Lehrerinnen und Lehrer gezwungenermaßen über ein ausgeprägtes Konzentrationsvermögen verfügen und sich selbst immer wieder zur Konzentration ermahnen.
Schlusswort
Die Konzentrationsfähigkeit ist keine unveränderliche Konstante im Leben von Lehrerinnen und Lehrern. Sie ist eine tagesabhängige Variable, welche sowohl inneren als auch äußeren Faktoren unterworfen ist. Gleichzeitig zählt das Konzentrationsvermögen zu den am meisten geforderten Kompetenzen einer Lehrkraft. Im Gegensatz zur Schülerschaft wird Lehrpersonen 'kraft ihres Amtes' ein besonderes Maß an Verantwortung übertragen. Diese verantwortungsvolle Position kommt allein ihnen zu. Die Mitglieder der Schülerschaft verlassen sich darauf, dass sie von der Lehrkraft durch den Unterricht geführt werden. Für Lehrerinnen und Lehrer ist dieser Umstand sowohl Herausforderung als auch Chance.
Lehrerinnen und Lehrer sind auch in Bezug auf Konzentration ein Vorbild für ihre Klasse. Die Schülerschaft kann sich bei einer abgelenkten Lehrkraft nicht auf das Unterrichtsgeschehen konzentrieren. Wer sich als Lehrperson auf den Verlauf der Unterrichtsstunde fokussiert, richtet den Fachunterricht auf ein Ziel aus – den Erwerb von neuem Wissen als mittelfristiges Ziel sowie die Konsolidierung der erlangten Fachkenntnisse als langfristige Zielsetzung.
Aus diesem Grund steht die Konzentrationsfähigkeit der Lehrkraft in einem Zusammenhang mit einem erfolgreichen Unterrichtsverlauf. Unter der Obhut einer konzentrierten Lehrperson lässt der Unterricht den roten Faden erkennen. Infolgedessen richten die Schülerinnen und Schüler ihre eigene Leistungsbereitschaft bereitwilliger auf die Themen des Fachunterrichts aus. Die Lehrkraft wird als Autorität anerkannt und von der Schülerschaft respektiert, was für einen zielführenden Unterricht absolut notwendig ist.