#Tipps-für-den-Schulalltag

Schüchterne Kinder in der Klasse unterstützen

6 min Lesedauer | 23.05.2024 | Nina

Zusammenfassung

Das Kommunikationsverhalten von Kindern ist individuell. Was kannst du als Lehrkraft tun, wenn du es mit einem ungewöhnlich verschlossenen Klassenmitglied zu tun hast? Wie geht man angemessen mit sehr zurückhaltenden Kindern oder Jugendlichen um?

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Die Art und Weise der Kommunikation hängt immer vom Einzelfall ab. Manche Schülerinnen und Schüler zeigen sich schon in den ersten Schuljahren von ihrer redseligen Seite. Sie beteiligen sich aktiv am Unterricht und sind auch in privaten Gesprächen gerne die Wortführer. Selbst als Lehrkraft hat man es in solchen Fällen manchmal schwer, zu Wort zu kommen und den Redefluss des kommunikativen Klassenmitglieds für ein paar Augenblicke zu unterbrechen.

Es gibt aber auch Kinder oder Jugendliche, die nur wenig oder mitunter gar nichts von sich preisgeben. Sie sprechen nur, wenn man sie etwas fragt. Näheres über ihr persönliches Umfeld wollen sie nicht mit anderen teilen. Auch in solchen Situationen hat man es als Lehrperson denkbar schwer.

Warum sind manche Kinder oder Jugendliche verschlossen?

Der Begriff 'Verschlossenheit' ist im alltäglichen Sprachgebrauch leider negativ konnotiert und wird oft im Zusammenhang mit schlechten Eigenschaften verwendet. Um eine versteckte Kritik an verschlossenen Kindern soll es an dieser Stelle nicht gehen.

Für eine ungewöhnlich große Zurückhaltung kommen mehrere Ursachen infrage. Hinter dem auffälligen Verhalten können diese Gründe stecken:

•    Psychische Erkrankungen
•    Schüchternheit, Ängstlichkeit oder große Unsicherheit
•    Private Sorgen oder Probleme
•    Unzureichende Sozialisierung

Psychische Krankheiten wie Depressionen oder autistische Züge drücken sich häufig in Form von sozialer Unzulänglichkeit aus. Die Betroffenen wirken auf Außenstehende verstockt oder unhöflich. Dabei sind ihnen ihre Verhaltensmuster krankheitsbedingt gar nicht bewusst. Sie merken ihre Verschlossenheit nicht und sind nicht in der Lage, aus eigener Kraft etwas daran zu ändern.
Schüchternheit oder eine ängstliche Grundhaltung sind von den möglichen Krankheitsbildern abzugrenzen. Gerade in jungen Jahren sind viele Kinder sehr schüchtern und halten sich in der großen Runde eher zurück. Dieses Verhalten ist noch kein Anlass zur Besorgnis, sondern in Anbetracht des Alters vollkommen normal und keineswegs eine Ausnahme. Häufig legt sich ihre Schüchternheit in den höheren Klassenstufen wieder. Anhaltende Schüchternheit oder große Unsicherheit sind für die Betroffenen allerdings problematisch, da sich beide Eigenschaften bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben in der Schule als hinderlich erweisen.

Kummer und Sorgen kommen ebenfalls als Auslöser für Verschlossenheit infrage. Die besorgten Kinder oder Jugendlichen kreisen gedanklich um das Problem, welches ihnen zu schaffen macht. In ihrer Gedankenspirale versunken, wirken sie teilnahmslos und abwesend. Solch eine Verhaltensauffälligkeit spiegelt nicht die grundsätzliche Gemütslage des oder der Betroffenen wider, sondern ist das Ergebnis von Besorgnis.

Eine unzureichende Sozialisierung führt dazu, dass gewisse Grundregeln der Kommunikation nicht erlernt wurden. Dies geschieht bereits in frühesten Jahren und konsolidiert sich sehr leicht. Deshalb erweist es sich als schwierig, solche verfestigten Strukturen bildlich gesprochen aufzubrechen. Je intensiver Kinder mit ihren Eltern sprechen, umso günstiger sind die Voraussetzungen für die Fähigkeit, angemessen miteinander in Kontakt treten zu können.

Mitunter ist ein zurückhaltendes Verhalten ganz einfach eine charakterliche Eigenschaft des oder der Einzelnen. Dann verbirgt sich weder eine Erkrankung noch sonst ein Sachverhalt dahinter, der therapeutisch behandelt werden muss.

Wie drückt sich Verschlossenheit aus?

Die folgenden Verhaltensweisen sind typisch für überdurchschnittlich zurückhaltende Klassenmitglieder:

•    Mangelhafte oder fehlende Teilnahme an Gesprächen
•    Kurze, einsilbige Antworten
•    Ausgeprägte Schweigsamkeit in bestimmten Situationen
•    Monotone Stimmlage, wenig Variabilität in der Stimme, leises Sprechen
•    Extreme Schüchternheit (z. B. bei Gesprächen vor der gesamten Klasse)
•    Starrer Blick sowie das bewusste oder unbewusste Vermeiden von Blickkontakt
•    Wenige oder gar keine sozialen Kontakte

Diese Verhaltensweisen können einzeln oder parallel auftreten. Eine einzelne Eigenschaft aus dieser Übersicht deutet noch nicht zwangsläufig auf ein Problem hin. Je mehr Punkte jedoch zutreffen, umso wahrscheinlicher steckt eine (oder mehrere) der oben genannten Ursachen dahinter.

Leiden die Betroffenen unter ihrer Situation?

Die Frage nach dem subjektiven Leidensdruck steht im Verhältnis zur Ursache. Extrem schüchterne Schülerinnen und Schüler empfinden ihre Ängstlichkeit im Schulalltag oft als Hindernis. Jede Wortmeldung im Unterricht wird für sie zu einer Hürde, die unüberwindbar zu sein scheint.

Wer hingegen einen sehr ruhigen Charakter hat, leidet meistens nicht unter der Situation. Deshalb besteht hier auch kein Handlungsbedarf. In dem Fall wäre das 'Verbiegen' der Persönlichkeitsstruktur unter dem Vorwand des guten Willens überflüssig und kontraproduktiv.

Wie wirkt dieses Verhalten auf die Klassenleitung oder die Fachlehrkraft?

Je weniger man die betreffende Person kennt, umso schwerer kann man sie einschätzen. Viele Lehrpersonen neigen dazu, solche Klassenmitglieder von vornherein als 'schlecht erzogen' zu stigmatisieren. Diese Pauschalisierung ist nicht nur unfair, sondern in vielen Fällen auch unzutreffend: Wenn eine psychische Erkrankung der Grund für die auffälligen Verhaltensweisen ist, tut man den Betroffenen mit solchen Vorhaltungen schlichtweg Unrecht.

Andere Lehrkräfte machen sich Sorgen und fragen sich, warum das Klassenmitglied nicht mit ihnen spricht oder kaum auf sie eingeht. Dabei wird ihnen bewusst, dass sie auch als Lehrerinnen oder Lehrer keinen unbegrenzten Handlungsspielraum haben. Es ist nicht möglich, verhaltene Mitglieder der Klassengemeinschaft zum Reden zu zwingen. Aus diesem Grund kommt es durchaus vor, dass sich Lehrpersonen ohnmächtig und der komplizierten Situation nicht gewachsen fühlen.

Was kannst du als Lehrerin oder Lehrer tun?

Der tägliche Umgang mit einem sehr verschlossenen Klassenmitglied stellt die eigenen Fähigkeiten als Lehrkraft auf die Probe. Glücklicherweise sind solche Fälle eher die Ausnahme und kommen nicht in jeder Klasse oder in jedem Kurs vor. Aber sie sind dennoch Teil des sozialen Gefüges in der Schule.

Eine gesunde Reflexion des eigenen Verhaltens ist grundsätzlich lobenswert. Manchmal liegt es tatsächlich an einem selbst. Dann sollte man die eigenen Verhaltens- oder Umgangsformen kritisch hinterfragen und sich letztlich in einem vertraulichen Gespräch für ein mögliches Fehlverhalten entschuldigen. Möglicherweise war das verschlossene Verhalten des Gegenübers auf ein Missverständnis zurückzuführen und diente am Ende zum Selbstschutz.

Im Idealfall gelingt es Dir, ein vertrauliches Gespräch zu führen. Du kannst den Dialog mit einer Frage einleiten, die ungefähr wie folgt klingt: 'Hör mal, ich habe das Gefühl, dass du dich in der Klasse nicht so gerne mitteilst. Gibt es vielleicht etwas, worüber du reden möchtest?'. Solche Formulierungen ermutigen zu einem offenen, angstfreien Gespräch zwischen Lehrkraft und Klassenmitglied.

Am Elternsprechtag gibt es die Gelegenheit, mit den Erziehungsberechtigten zu sprechen und über diese Gespräche die Kinder besser einzuschätzen. Sprich die Eltern ruhig auf das Verhalten ihres Kindes an. Wenn zum Beispiel eine Erkrankung hinter der Zurückhaltung steckt, können die Eltern hilfreiche Hinweise zum angemessenen Umgang geben.

Achte genau auf die Stimmung innerhalb der Klasse. Gibt es Streitigkeiten unter den Kindern oder bestimmte Gruppen bzw. Machtverhältnisse, so dass sich das betreffende Kind evtl. nicht traut, etwas zu sagen. Eine gute Klassengemeinschaft hilft schüchternen Kindern und gibt ihnen Sicherheit.

Gewöhne das Kind langsam an das Sprechen vor den Mitschülerinnen und Mitschülern. Vielleicht gibt es ein Thema, bei es sich gut auskennt. Es kann sein, dass die Begeisterung über das Thema größer ist als die Schüchternheit.

Oft kann auch eine Kollegin oder ein Kollege weiterhelfen, die oder der das betreffende Klassenmitglied ebenfalls kennt und eigene Erfahrungen gemacht hat.


Was sollte man auf keinen Fall tun?

Auch wenn der Geduldsfaden nicht immer gleich lang ist, sollte man es vermeiden, verschlossene Kinder oder Jugendliche mit harschen Worten anzugehen. Dasselbe gilt für unsachliche Vorhaltungen oder Schuldzuweisungen. Ein energischer 'Schlag auf den Tisch' ist nie eine Lösung: Führe dir stattdessen vor Augen, dass sie dich mit ihrer Verschlossenheit nicht ärgern oder kränken wollen. Es steckt keine böse Absicht hinter ihrem Verhalten.  

In einem Elterngespräch sollten weder die erzieherischen Ansätze der Eltern noch die privaten Umstände bewertet oder verurteilt werden. Solche Urteile erschweren einen wechselseitigen Austausch. Genau wie bei den Gesprächen mit den Schulpflichtigen kommt es auf eine unvoreingenommene Haltung seitens der Lehrperson an.

Schlusswort

Der Kontakt zu verschlossenen Schülerinnen und Schülern fordert die Lehrkräfte in vielerlei Hinsicht heraus. Dabei stoßen sie nicht selten an ihre Grenzen. Eine grundsätzliche Zuwendung ist ebenso notwendig wie eine gesunde Distanz: Die Zugewandtheit zum betreffenden Klassenmitglied bricht häufig das Eis, wohingegen eine innere Distanz zu der anstrengenden Situation die eigenen Nerven schont.

Auch wenn es sich anhört, als würde man sich selbst Mut machen: Sage immer wieder zu dir selbst, dass das Verhalten des verschlossenen Klassenmitglieds nicht gegen dich gerichtet ist. Anderen Fachlehrkräften würde es mit der betreffenden Person nicht anders ergehen. Diese Vergegenwärtigung ist unbedingt notwendig, um sich innerlich von der Problematik zu distanzieren. Die Ursache für die Verschlossenheit liegt in äußeren Umständen. Für diese Umstände tragen weder der oder die Betroffene noch die Lehrkräfte die Verantwortung.

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