Während des Referendariats lernen angehende Lehrkräfte den typischen Schulalltag aus unterschiedlichen Perspektiven kennen. Neben der Erteilung eigener Unterrichtsstunden und der Bewertung von fachlichen Leistungen stehen Veranstaltungen wie Konferenzen, Elternabende oder Elternsprechtage an.
Spätestens in der Phase des eigenständigen Unterrichtens sind Referendarinnen und Referendare Fachlehrkräfte. Mit dieser neuen Funktion im Klassenraum verändern sich ihre Zuständigkeitsbereiche. Während des Referendariats stehen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst zum ersten Mal als Ansprechpartnerinnen und -partner für die Erziehungsberechtigten zur Verfügung. Der Austausch über die Fortschritte, Begabungen oder fachlichen Defizite der Kinder findet im Rahmen von Elternsprechtagen statt.
Elternabend vs. Elternsprechtag
Der Elternsprechtag ist nicht gleichzusetzen mit dem Elternabend. In beiden Fällen werden die Erziehungsberechtigten eingeladen. Bei einem Elternabend finden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer üblicherweise in den frühen Abendstunden im Klassenraum ihrer Kinder ein. Die Klassenleitung fungiert als Moderator des Gesprächs im Plenum. Es werden Themen erörtert, die alle Mitglieder oder zumindest einen Großteil der Klasse betreffen. Dazu zählen Termine für Klausuren oder Klassenausflüge, Ausblicke auf das kommende Schulhalbjahr sowie andere organisatorische Dinge wie die Wahl der Elternvertretung.
Bei einem Elternsprechtag spielen die oben genannten Themenbereiche eine marginale Rolle. Stattdessen stehen die einzelnen Klassenmitglieder im Mittelpunkt. In manchen Schulen suchen sie gemeinsam mit ihren Erziehungsberechtigten die Lehrkraft auf; meistens erscheinen die Eltern jedoch ohne ihre Kinder.
Die Einzelgespräche zwischen Lehrkraft und Eltern finden in einem geschützten Umfeld statt. Gesprächsinhalte werden streng vertraulich behandelt. Im Dialog mit den Erziehungsberechtigten sprechen die Fachlehrkräfte über die Leistungen und individuellen Kompetenzen der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Dies geschieht jedoch mit einer objektiven Haltung gegenüber der Person – eine Wertung oder gar Verurteilung des Kindes ist mit einer professionellen Gesprächskultur nicht vereinbar.
Relevanz von Elternsprechtagen
Elternsprechtage gleichen einen grundlegenden Aspekt aus, der im Unterricht oft zu kurz kommt. Bei einem Elternsprechtag nehmen sich die Klassen- und Fachlehrkräfte Zeit, um auf die Leistungsstände oder persönlichen Entwicklungen des einzelnen Klassenmitglieds eingehen zu können. In dem dafür vorgesehenen Zeitraum wird das Augenmerk auf das Individuum gerichtet. Die Klasse als Gemeinschaft spielt während des Gesprächs mit den Eltern eine untergeordnete Rolle. Folglich kommt dem Elternsprechtag ein herausgehobener Stellenwert zu, indem er einen sinnbildlichen Raum für die einzelnen Schülerinnen und Schüler sowie deren Erziehungsberechtigten schafft.
Erster Elternsprechtag im Referendariat
Im Leben einer Referendarin oder eines Referendars stellt der erste Elternsprechtag eine besondere Premiere dar. Man wird in zunehmendem Maße mit den Aufgaben einer ausgebildeten Fachlehrkraft betraut. Mit der wachsenden Verantwortung für das Wohl der Schülerinnen und Schüler steigt bei vielen Lehrpersonen im Vorbereitungsdienst die Sorge, ob man solchen Verpflichtungen gewachsen ist. Solche Gedankengänge zeugen von einem hohen Maß an Selbstreflexion und sind somit positiv zu bewerten.
Die meisten Gespräche zwischen Lehrpersonen und Eltern lassen eine thematische Konstante erkennen. Wenn man die typischen Fragen und Gesprächsinhalte kennt, lässt sich die Hürde des ersten Elternsprechtags leichter bewältigen.
Welche Fragen werden bei den Gesprächen erörtert?
In den Elterngesprächen haben beide Seiten die Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen. Die Belange der Eltern oder Erziehungsberechtigten kommen ebenso zur Sprache wie Fragestellungen seitens der Lehrkraft.
Diese Fragen und Anliegen werden in den meisten Gesprächen thematisiert:
- Wie ist es um die fachlichen Leistungen des Kindes bestellt?
- Wie beurteilt die Lehrkraft das Arbeits- und Sozialverhalten?
- Ist die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe gefährdet?
- Welche besonderen Fähigkeiten und Begabungen hat die Lehrkraft in den vergangenen Wochen beobachtet?
- Gibt es Probleme mit anderen Mitgliedern aus der Klasse? Sind die Ursachen für mögliche Konflikte bekannt?
Die fachlichen Leistungen werden in fast allen Fällen mit den Erziehungsberechtigten angesprochen. Als Lehrkraft nimmt man objektiv Stellung zu den (stabilen oder verbesserungswürdigen) Leistungsständen des Kindes. Beurteilungen von Klassenarbeiten oder vergleichbaren Leistungsabfragen lassen sich anhand eines Notenspiegels transparent machen.
Neben der Notenvergabe ist das Arbeits- und Sozialverhalten ein typisches Thema von Elternsprechtagen. Die Fachlehrkraft beurteilt beide Verhaltensweisen als äußere Rahmenbedingungen für den Lernerfolg des Individuums. Unter den Begriff 'Arbeitsverhalten' fallen Aspekte wie das Konzentrationsvermögen oder die Lernbereitschaft des Kindes. Das Sozialverhalten bezieht sich auf den Umgang mit anderen Klassenmitgliedern oder auch Lehrpersonen.
Elternsprechtage finden zu Beginn und/oder während des Halbjahres statt. Im zweiten Schulhalbjahr ist die Versetzung in den nächsthöheren Jahrgang oft Gesprächsthema zwischen Fachlehrkraft und Erziehungsberechtigten. Wenn die Gefahr besteht, dass das betreffende Klassenmitglied nicht versetzt wird, äußert die Lehrperson beim Elterngespräch ihre Bedenken. Gleichzeitig zeigt sie den Eltern Möglichkeiten auf, wie die Versetzung in die nächste Klassenstufe doch noch gelingen kann.
Zwischen den Sprechtagen liegt ein Zeitraum von mehreren Wochen. Der tägliche Kontakt mit der Schülerschaft befähigt Lehrerinnen und Lehrer zur 'Entdeckung' von Talenten. Dasselbe gilt für mögliche Lernschwierigkeiten oder Probleme in den jeweiligen Fächern. Auch Konfliktsituationen mit anderen Klassenmitgliedern oder Fachlehrkräften werden im Dialog mit den Eltern zum Gesprächsthema. Bei solchen sensiblen Inhalten geht die Lehrperson sachlich vor: Sie schildert die Situation, ohne die Person des betreffenden Klassenmitglieds anzugreifen.
Checkliste für den ersten Elternsprechtag
In deinem Referendariat wirst du erstmalig an einem Elternsprechtag teilnehmen. Für diesen Termin außerhalb der regulären Schulzeit benötigst du die folgenden Materialien:
- Terminkalender
- Schreibzeug
- Stichwortliste mit Fragen an die Erziehungsberechtigten
- Mappe mit Dokumenten
- Trinkflasche und Traubenzucker
- Armbanduhr oder Uhr auf dem Smartphone
Im Terminkalender werden die Zeiten eingetragen, welche für die Gespräche mit den Eltern vorgesehen sind. Die Eintragungen machen den Ablauf des Elternsprechtags übersichtlicher und beugen unangenehmen Überraschungen wie vergessenen Gesprächsterminen vor.
Schreibmaterial gehört zu jedem Elternsprechtag ganz selbstverständlich dazu. Wichtige Stichworte oder Denkanstöße werden jeweils zwischen den Einzelgesprächen notiert. Vor dem ersten Elterngespräch liegt eine im Voraus angefertigte Stichwortliste auf dem Tisch. Auf ihr stehen alle relevanten Fragen und Themen, die von der Lehrkraft mit den Erziehungsberechtigten besprochen werden. In der Dokumentenmappe lassen sich Unterlagen wie Klassenlisten sicher transportieren und verstauen. Gleichzeitig ist mit geschlossenen Mappen der Datenschutz gewährleistet. Erleichterung beim Elternsprechtag bietet z.B. auch die Lehrer-App. Im Profil der Schülerinnen und Schüler sind alle Noten, Beobachtungen, Kommentare usw. übersichtlich zusammengefasst.
Bei Elternsprechtagen handelt es sich um zeitintensive Veranstaltungen, die insgesamt mehrere Stunden dauern. Als Lehrkraft muss man trotz dieser langen Zeitspanne jedes Elterngespräch aufmerksam verfolgen und gedanklich am Ball bleiben. Aus diesem Grund gehört eine gefüllte Wasserflasche ebenso selbstverständlich auf die Checkliste wie etwas Traubenzucker oder ersatzweise Lutschpastillen. Letztere sorgen dank ihrer ätherischen Öle für eine Schonung der Stimme, die beim Sprechtag stark beansprucht wird. Ein Blick auf das Ziffernblatt der Uhr erleichtert das Zeitmanagement und dient zudem der Orientierung.
Die Nachbereitung der Gespräche
Jedes Einzelgespräch endet für die Lehrkraft mit wichtigen Erkenntnissen oder neuen gedanklichen Impulsen. Am Ende des Elternsprechtags findet die Reflexion der Gespräche statt.
Fragestellungen für die Reflexion
- Mit wessen Eltern oder Erziehungsberechtigten habe ich gesprochen?
- Welche Fragen und Anliegen wurden gemeinsam erörtert?
- Welche Rückfragen habe ich als Fachlehrkraft an die Erziehungsberechtigten gestellt?
- Waren ihre Antworten für mich informativ und aufschlussreich genug?
- Konnte ich mir nach dem Gespräch ein konkreteres Bild von der betreffenden Schülerin oder dem betreffenden Schüler machen?
Die erste Fragestellung ist eine Orientierungshilfe. Durch die gedankliche Verknüpfung von Gesprächspartnerinnen und -partnern werden Inhalte des Gesprächs in Erinnerung gerufen.
Bei der zweiten Frage stehen die Inhalte des Elterngesprächs im Vordergrund. Die Verteilung beziehungsweise Gewichtung der Themen fällt je nach Einzelfall verschieden aus. Bei besonders leistungsstarken Kindern und Jugendlichen wird der individuelle Leistungsstand entweder sehr eingehend oder nur beiläufig zur Sprache gebracht. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Leistungen lässt sich mit den herausragenden Fähigkeiten begründen. Das beiläufige Ansprechen ist keine Geringschätzung, sondern zeigt vielmehr, dass es in dieser Hinsicht nichts Negatives mitzuteilen gibt.
Ein Elterngespräch ist kein einseitiger Monolog, sondern eine Interaktion. Während des Austauschs mit den Erziehungsberechtigten haben Lehrkräfte häufig Rückfragen. Diese Fragen beziehen sich in vielen Fällen auf das häusliche Umfeld der Schülerinnen und Schüler. Eine beispielhafte Fragestellung seitens der Lehrperson lautet: 'Simon ist seit einigen Wochen so unkonzentriert und wirkt im Unterricht abwesend. Haben Sie dieselben Beobachtungen auch zu Hause gemacht?'. Die Antworten auf derartige Fragen machen Lehrkräfte im besten Fall um neue Erkenntnisse reicher. Sie verstehen die Lebensumstände ihrer Schülerschaft besser und betrachten sie nicht nur als Mitglieder einer Gruppe, sondern als Persönlichkeiten mit einem individuellen familiären Hintergrund.
Schlusswort
Ein Elternsprechtag ist ein Perspektivwechsel. Als Referendarin und Referendar kannst du aus einem Elternsprechtag deinen eigenen Nutzen ziehen. Im Dialog mit den Eltern lernst du die Schülerinnen und Schüler von einer privaten Seite näher kennen. Du bist in der Lage, dir ein Bild von ihrem sozialen Umfeld außerhalb des Lebensraums Schule zu machen. Dieses Wissen kann für dich als Lehrperson sehr aufschlussreich sein.
Während der Schulstunden wird Lehrerinnen und Lehrern nur ein begrenzter Einblick in das Leben der Klassenmitglieder gewährt. Die Lehrkräfte kennen die Anwesenden als Schülerinnen und Schüler; oft kommen Informationen oder Erkenntnisse über ihre privaten Lebenswelten zu kurz. Zudem wirft der Austausch mit den Erziehungsberechtigten nochmals ein anderes Licht auf die Kinder. Nach den Elterngesprächen können Lehrerinnen und Lehrer ihre Schülerschaft aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Diese vielschichtige Betrachtungsweise wäre ohne den Dialog mit den Eltern nicht möglich.
Viele Lehrerinnen und Lehrer empfinden Elternabende und -sprechtage als Pflichttermin während der üblichen Feierabendzeit. Diese Einstellung sollte jedoch kritisch hinterfragt werden: Gespräche mit den Eltern der Kinder und Jugendlichen bieten Lehrkräften die Gelegenheit, ihre Einstellung zu den Klassenmitgliedern zu hinterfragen, zu überdenken oder um neue Erkenntnisse zu erweitern.